Abwurfstangen sammeln
Jedes Jahr zwischen Januar und April werfen Rothirsche ihre Geweihe ab, bevor sie bis zum Sommer ein neues Geweih ausbilden. Spaziergänger und Naturfreunde, die auf solche Abwurfstangen stoßen, fragen sich oft, ob sie diese mitnehmen dürfen. Doch Vorsicht: Das Sammeln von Geweihstangen unterliegt jagdrechtlichen Bestimmungen, kann strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen und ist zudem ein wichtiger Bestandteil des Wildmanagements.

Rechtliche Grundlagen: Wem gehören Abwurfstangen?
Obwohl Abwurfstangen nach § 958 BGB als herrenlose Sachen betrachtet werden könnten, schränken Jagd- und Naturschutzgesetze das Mitnehmen erheblich ein:
Jagdrechtliche Regelungen
• Nach § 15 Abs. 1 Bundesjagdgesetz (BJagdG) dürfen Abwurfstangen nur mit schriftlicher Genehmigung des Jagdausübungsberechtigten (Jagdrevierinhaber oder Pächter) gesammelt werden.
• Wer ohne Erlaubnis sammelt, begeht eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 1 BJagdG.
• § 19 Abs. 1 Nr. 3 BJagdG untersagt es, Wild mutwillig zu beunruhigen oder es unnötig in Bewegung zu setzen.
• Da das absichtliche Betreten von Wildruhezonen zur Suche nach Abwurfstangen häufig Wild aufscheucht, kann dies als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.
Verstöße gegen das Naturschutzrecht
• In Naturschutzgebieten, Nationalparks und Wildschutzgebieten ist das Sammeln oft generell untersagt (§ 39 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG).
• Wer sich nicht an diese Vorschriften hält, riskiert empfindliche Geldbußen.
Einschränkungen durch das Betretungsrecht des Waldes
• Nach § 14 Bundeswaldgesetz (BWaldG) ist das Betreten des Waldes zum Zwecke der Erholung gestattet.
• Das gezielte Absuchen nach Abwurfstangen ohne Erlaubnis kann jedoch über den Erholungszweck hinausgehen und Verstöße gegen lokale Vorschriften nach sich ziehen.

Kann das Sammeln von Abwurfstangen Wilderei sein?
In bestimmten Fällen kann das unbefugte Einsammeln von Abwurfstangen sogar den Straftatbestand der Wilderei (§ 292 StGB) erfüllen.
• Wilderei umfasst das unrechtmäßige Aneignen von Wild oder Wildbestandteilen, zu denen nach gängiger jagdrechtlicher Auslegung auch Abwurfstangen zählen.
• Wer Abwurfstangen ohne Erlaubnis sammelt, greift in das Jagdausübungsrecht ein, das ausschließlich dem Jagdpächter oder Eigenjagdinhaber zusteht.
• Das Strafmaß für Wilderei kann bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe betragen.
Warum brauchen Jägerinnen und Jäger die Abwurfstangen?
Für Jäger sind Abwurfstangen ein unverzichtbares Hilfsmittel für die Wildbewirtschaftung, da sie wertvolle Informationen über den Rotwildbestand liefern:
Altersbestimmung der Hirsche
• Größe, Form und Maserung der Geweihe geben Aufschluss über das Alter der Tiere.
• Ältere Hirsche haben meist schwerere, stärker verzweigte Geweihe mit ausgeprägtem Perlenansatz und ein nach innen gewölbtes Petschaft, also die „Sollbruchstelle“ zwischen Geweih und Schädel.
Gesundheits- und Ernährungszustand des Wildes
• Die Geweihstruktur verrät, ob die Hirsche im Revier ausreichend Nahrung und Mineralstoffe erhalten.
• Dünne, poröse oder asymmetrische Abwurfstangen können auf Mangelernährung oder Krankheiten hinweisen.
Analyse der Bestandsstruktur und Wilddichte
• Durch die Fundorte der Abwurfstangen lässt sich ermitteln, wo dominante Hirsche ihre Einstände haben und wie sich der Bestand zusammensetzt.
• Diese Daten sind essenziell, um eine gesunde und nachhaltige Wildpopulation sicherzustellen.
Grundlage für Hege und Wildmanagement
• Ohne die systematische Erfassung von Abwurfstangen wäre eine fundierte Abschussplanung kaum möglich.
• Die Stangen geben Jägerinnen und Jägern wichtige Anhaltspunkte für den Zustand des Bestandes und helfen, Fehlentwicklungen frühzeitig zu erkennen.
Das Sammeln von Abwurfstangen unterliegt in allen Bundesländern dem Jagdrecht, sodass eine Erlaubnis des Jagdausübungs-berechtigten grundsätzlich erforderlich ist. In Nationalparks und Wildruhezonen ist das Sammeln grundsätzlich verboten, um Störungen des Wildes zu vermeiden.
Um sicherzugehen, sollten sich Interessierte bei der Unteren Jagdbehörde oder dem Revierinhaber erkundigen.


Was sollten Jäger tun, wenn Spaziergänger eine Abwurfstange finden?
Jägerinnen und Jäger sollten freundlich erklären, dass:
• das Sammeln von Abwurfstangen ohne Erlaubnis des Jagdpächters eine Ordnungswidrigkeit oder sogar eine Straftat sein kann,
• das Beunruhigen des Wildes verboten ist (§ 19 Abs. 1 Nr. 3 BJagdG).
Da die wenigsten Waldbesucher diese Vorschriften kennen, sollte man die entsprechenden Hinweise ganz besonders empathisch erläutern, um keine weiteren Jagdgegner heran zu züchten.
Hinweis auf mögliche Konsequenzen
• Unbefugtes Sammeln kann als Wilderei (§ 292 StGB) geahndet werden.
• In Schutzgebieten drohen zudem hohe Geldbußen gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG.
Empfehlung: Fund melden statt mitnehmen
• Spaziergänger können gefundene Abwurfstangen beim zuständigen Jäger oder Förster melden. Diese sind in der Regel für die Meldung sehr dankbar und erläutern zum Dank, warum die Abwurfstangen für Jägerin und Jäger wichtig sind. Wenn dann auch noch ein Päckchen Wild-Bratwürstchen den Besitzer wechselt, kann man davon ausgehen, dass auch künftige Funde gemeldet werden.
• Alternativ kann die Stange im Wald belassen werden, da sie für viele Wildtiere eine wichtige Kalziumquelle ist.
Fazit
Das Sammeln von Abwurfstangen ist nicht nur eine juristische Frage, sondern beeinflusst auch die Wildhege und das Rotwildmanagement erheblich. Da Jägerinnen und Jäger dringend auf diese Stangen angewiesen sind, um Altersstruktur, Gesundheitszustand und Wilddichte im Revier zu analysieren, sollten Spaziergänger darauf verzichten, sie mitzunehmen. Zudem ist das ungenehmigte Sammeln verboten und kann eine Ordnungswidrigkeit oder sogar eine Straftat darstellen.
Die beste Vorgehensweise ist es, den Fund beim Jagdpächter oder Förster zu melden, um sowohl das Wild zu schützen als auch das nachhaltige Wildmanagement zu unterstützen. So bleibt das Gleichgewicht zwischen Naturschutz, Jagdausübung und Wildtierforschung gewahrt.
