Gamswild: Überlebenskünstler im Hochgebirge
Das Symbol der alpinen Naturlandschaft, Meister der Kletterkunst und ein echter Überlebenskünstler. Warum dieses faszinierende Wildtier seit Jahrhunderten Jäger und Naturliebhaber gleichermaßen begeistert erfahrt ihr hier:
Lebensraum und Lebensweise
Das Gamswild (Rupicapra rupicapra) ist ein echter Überlebenskünstler, der sich perfekt an das Leben in den extremen Höhenlagen der Berge angepasst hat. In den Zentralalpen hält es sich oft das ganze Jahr über oberhalb der Waldgrenze auf, wo es sich in steilen Felswänden und Schutthalden wohlfühlt. In tieferen Lagen findet man es in den Bergwäldern, insbesondere im Winter, wenn es Schutz vor harschen Wetterbedingungen sucht.
Im Sommer grast das Gamswild hauptsächlich auf Bergmatten, wo es sich von einer Vielzahl von Kräutern und Gräsern ernährt. Im Winter hingegen besteht seine Nahrung aus dürren Gräsern, Knospen von Zwergsträuchern und Flechten. Besonders in Schutzwäldern und Forstkulturen kann es durch starken Verbiss zu Problemen kommen, da die Tiere bei Nahrungsmangel auf junge Bäume zurückgreifen.
Körperbau und Besonderheiten
Die Gämsen verfügen als Bergbewohner über besonderen körperlichen Anpassungen: Ihr Herz ist außergewöhnlich voluminös und kann bis zu 200 Mal pro Minute schlagen. Dies, zusammen mit der hohen Anzahl roter Blutkörperchen, sorgt dafür, dass die Tiere auch in den dünnen Luftschichten der Berge genügend Sauerstoff aufnehmen können.
Ihre Schalen sind besonders weit spreizbar und verfügen über harte Ränder, während die Ballen gummiartig weich sind. Diese Kombination ermöglicht es den Gämsen, sicheren Halt selbst auf den steilsten und glattesten Felsen zu finden. Die Böcke, die man ab November auch als Bartgams bezeichnet, sind zwar nur geringfügig größer als die Geißen, jedoch deutlich schwerer.
Sozialverhalten und Fortpflanzung
Gamsgeißen und Jungtiere, auch als Scharwild oder Geraffel bezeichnet, leben in offenen Gesellschaften, die im Sommer oft größere Rudel bilden. Jüngere Böcke hingegen schließen sich meist in kleineren Gruppen zusammen, während alte Böcke häufig alleine unterwegs sind. Das Gamswild ist vorwiegend tagaktiv und kann in den Hochlagen oberhalb der Waldgrenze gut beobachtet werden, insbesondere während der Hauptäsungszeiten am frühen Morgen und späten Nachmittag.
Die Brunft der Gämsen findet im Spätherbst statt. Die Böcke, die zu dieser Zeit ständig auf den Läufen sind, vertreiben Nebenbuhler und treiben die brunftigen Geißen. Während der Brunft schwellen die sogenannten Brunftfeigen, Duftdrüsen hinter den Krucken, stark an und sondern ein unangenehm riechendes Sekret ab, das zur Markierung des Reviers dient.
Nach einer Tragzeit von 25 bis 26 Wochen setzen die Geißen im Mai oder Juni ein Kitz, selten zwei, das sie bis zum November säugen.
Altersbestimmung beim Gamswild: Zügel und Krucke als Indikatoren
Die Krucke ist am lebenden Gamswild nur in den ersten drei Lebensjahren ein verlässlicher Indikator für das Alter, da das Wachstum danach nur noch minimal zunimmt. Ein sicheres Altersmerkmal bei beiden Geschlechtern sind die Zügel, die dunklen Streifen seitlich am Kopf. Bei älteren Tieren sind diese Zügel oft verwaschen und weniger deutlich erkennbar. Ein langer Pinsel beim Bock im Winterhaar kann ebenfalls auf ein höheres Alter hinweisen, jedoch sind die Barthaare auf dem Rücken keine verlässlichen Altersmerkmale. Am erlegten Wild lässt sich das genaue Alter durch die Zählung der Jahresringe an der Krucke bestimmen, wobei das stärkste Wachstum in den ersten vier Lebensjahren stattfindet. Schmuckringe auf der Krucke dürfen nicht mit den echten Jahresringen verwechselt werden.
Herausforderungen und Hege
Das Gamswild lebt in einem relativ unberührten Lebensraum, der nur wenig menschlichen Eingriff erfordert. Jedoch wird es durch den zunehmenden Tourismus und den Wintersport in höhere, oft gefährlichere Lagen abgedrängt. Diese Störungen können für die Tiere lebensbedrohlich sein, da sie in Lawinengebiete oder steinschlaggefährdete Zonen flüchten müssen.
Die Erhaltung von Ruhe- und Schutzgebieten sowie die Lenkung menschlicher Aktivitäten sind daher von großer Bedeutung, um den Gämsen ihren natürlichen Lebensraum zu sichern.
Das Gamswild ist ein beeindruckender Bewohner unserer Berglandschaften und verkörpert die ungezähmte Wildnis der Hochgebirge. Wer das Glück hat, Gämse im Anblick zu haben, wird Zeuge eines einzigartigen Naturschauspiels, das die Schönheit und Rauheit der Natur zugleich widerspiegelt.