Der Rothirsch: das majestätische Problem
Lange Zeit galt der Rothirsch als der König unserer Wälder. Einst verehrt, wird er heute bedingungslos gejagt von Wolf und Mensch.
Rotwild war ursprünglich in offenen oder licht bewaldeten Landschaften und Auen beheimatet. Durch menschliche Einflüsse wurde es in geschlossene Waldgebiete verdrängt. Und nun ist es hier auch nicht mehr erwünscht. Doch erklären wir zunächst unsere größte heimische Wildart genauer.
Sozialverhalten des Rotwildes
Rotwild lebt in Rudeln. Die weiblichen Tiere werden ab dem 3. Lebensjahr als Alttiere bezeichnet. Sie bilden zusammen mit ihrem Nachwuchs Kahlwildrudel. Diese Rudel werden von einem Leittier geführt, das immer ein Hirschkalb bei sich hat. Junge Hirsche bis zum 2. Kopf bleiben meist bei diesen Rudeln. Erwachsener Hirsche schließen sich zu Hirschrudeln zusammen. Ältere, schwächere Hirsche, die Beihirsche, halten sich während der Brunft in der Nähe der Rudel auf.
Röhrende Kraftprotze
In der Brunftzeit von Mitte September bis Mitte Oktober ist das Rotwild besonders aktiv. Der stärkste Hirsch im Rudel wird als Platzhirsch bezeichnet. Er versucht das Rudel zusammenzuhalten und rivalisierende Hirsche werden zunächst durch Röhren und Drohgebärden auf Distanz gehalten.
Vor einem richtigen Brunftkampf kommt es oft zu einem sogenannten Parallelgang, bei dem die Hirsche nebeneinander hergehen und sich gegenseitig imponieren. Die Stärksten erhalten schließlich das Recht, die weiblichen Tiere zu beschlagen (begatten).
Die Brunftmähne lässt den Rothirsch während dieser Zeit größer und eindrucksvoller erscheinen. Der Brunftfleck am Bauch, der durch Sekrete der Brunftrute (Penis) und Brunftkugeln (Hoden) entsteht, ist ein weiteres Zeichen seiner Paarungsbereitschaft. Die Hirsche riechen in dieser Zeit wirklich extrem!
Rotwildkälber: Fleckige Neubürger
Nach dem erfolgreichen beschlagen, tragen die Alttiere etwa nach 8,5 Monaten Ende Mai/Anfang Juni ein, selten zwei Kälber aus. Charakteristisch sind die hellen Tarn-Flecken der Kälber. Wie Reh-Kitze drücken sich die Rotkälber in den ersten Monaten bei Gefahr und verschwimmen durch diese Flecken mit ihrer Umwelt.
Übrigens: Verliert das Leittier ihr Kalb, ist es automatisch kein Leittier mehr. Das Rudel wird so führungslos und es dauert eine gewisse Zeit, bis ein anderes Rotalttier übernimmt.
Weitsichtige Langohren
Rotwild verfügt über hervorragend entwickelte Sinne. Es kann sehr gut äugen (sehen), vernehmen (hören) und winden (riechen). Besonders aufmerksam wird es, wenn es aufwirft, also ruckartig das Haupt (Kopf) hebt, um eine potenzielle Gefahr zu erkennen.
Beziehung des Menschen zum Rotwild
Und die Gefahren sind vielfältig. Die Rückkehr der Wölfe und der Luchse hat dazu geführt, dass immer größere Rudel entstanden sind. Großrudel sind in einer Steppenlandschaft unproblematisch. Vielmehr hilft das Rotwild dabei, diese Flächen offen zu halten. Sie sind also Landschaftsgärtner und schützen durch ihr Fraßverhalten seltene Biotope, wie zum Beispiel die Lüneburger Heide.
Jagdliches Fingerspitzengefühl
Problematisch werden diese Rotwild-Großrudel jedoch im Wald, in den wir Menschen es gedrängt haben. Aufgrund der klimatischen Veränderungen muss die Forstwirtschaft viele Wälder klimastabil umbauen. Das gelingt aber nur, wenn möglichst wenig Verbiss- und Schälschäden durch unser Wild auftreten. Wird das sensible Rotwild immer wieder durch Erholungssuchende oder Jagende gestört, zieht es sich immer tiefer und in dichtere Einstände (Dickungen) zurück, verbeißt oder schält diese und gefährdet so die nächste Waldgeneration.
Fazit: Rotwild macht am wenigsten Schaden, wenn es in Ruhe gelassen wird!