Besser treffen: Zurück zu alter Stärke
Mucken! Jungjäger kennen das Phänomen genauso wie „alte Hasen“. Durch sensibles Training kann man zurück zu alter Präzision finden, aber auch beim Neuwaffenkauf verhindern, dass es überhaupt so weit kommt.
Als ich mir während des Forststudiums meinen ersten Repetierer in .30-06 kaufte, legte mir der Büchsenmacher zwei Schachteln RWS 9,7 g TM-Spitz mit dazu. Der Rückstoß war kein Problem. Der spätere Umzug in den Taunus bescherte mir mehr Drückjagden und vor allem Schwarzwild. Die Kataloge wurden daraufhin gewälzt, und so griff ich geschossgewichtsmäßig nach den Sternen – 14,3 g mussten es sein! Das Ende vom Lied: Die Donnerbüchse keilte aus wie ein Kaltblüter, und ich fing an zu Mucken.
Das ist zwar längst Geschichte. Doch wenn man im Schießkino neben Schützen steht, deren Waffe bereits leergeschossen ist und sie trotzdem abziehen, keilen viele nach unten aus. Mucken ist kein Einzelfall und keine Schande, sondern verbreiteter, als man denkt.
Das Kaliber und die Geschosswahl
Allzu gerne sitzt man dem Marketing auf und meint, ohne das neue Superkaliber jagdlich nicht mehr bestehen zu können. Dabei sollte sich die Kaliberwahl stets an den zu bejagenden Wildarten orientieren. Selbsteinsicht ist dabei elementar: Ist man rückstoßempfindlich oder verträgt man problemlos auch zehn Schuss Magnum am Stück? Dabei sollte man berücksichtigen, dass der Rückstoß auf der Jagd nie als so hart empfunden wird wie beim Einschießen der Waffe auf dem Stand.
Insgesamt gilt: Lieber ein kleineres Kaliber und den Treffersitz an der richtigen Stelle als eine Supermagnum, vor deren Rückstoß man Angst hat! Darüber hinaus ist es wichtig, dass man z.B. kurze Läufe nur mit einem Kaliber kombiniert, das seine volle Leistung auch in einem kurzen Rohr erbringt – z.B. eine .308 Win. aus einem 50-cm-Lauf. Denn zündet man z.B. eine 7x64 aus einem Stutzenlauf, dann macht sich das durch magere Leistung (v0-Einbußen von über 10 %), lauteren Knall sowie mehr Mündungsfeuer und Rückstoß bemerkbar.
Eine andere Alternative ist es, mit der Geschossmasse runterzugehen, denn auch sie hat Einfluss auf die Kraft, die uns mittels Rückstoß durchschüttelt. Harmoniert ein geringeres Geschossgewicht gut mit der Dralllänge, werden Präzision, Wirkung und damit jagdlicher Erfolg nicht ausbleiben. Hier punkten gerade bleifreie (!) Geschosse, die werkstoffbedingt deutlich leichter ausfallen!
Waffengewicht und dicke Läufe
Heutzutage spielt das Waffengewicht eine eher untergeordnete Rolle, außer bei Berg- und Pirschjägern, wo jedes Gramm weniger mehr ist. Daher sollte man lieber eine etwas schwerere Waffe wählen, also lieber eine mit Stahl- statt Alusystem.
Eine andere Variante sind dickere Läufe. Auch sie haben einen positiven Einfluss auf das Rückstoßverhalten der Waffe und machen sie etwas kopflastiger. Wenn es das Kaliber zulässt, dann ist ein kurzer, dicker Lauf ohnehin die beste Wahl, da er weniger Eigenschwingungen im Schuss entwickelt und meist noch eine bessere Präzision liefert.
Drauf und dran
Am Gewehr selbst gibt es Anbauoptionen. Beim Hinterschaft ist die einfachste Lösung die Montage einer dicken Gummischaftkappe. Darüber hinaus gibt es „Kickstop“, ein mit Granulat gefülltes und im Hinterschaft eingelassenes Rohr, das zwar den Rückstoß zähmt, aber auch dafür sorgt, dass die Balance der Waffe durch das Mehrgewicht von etwa 350 bis 400 g flöten geht.
Oft aber ist es noch nicht einmal ein zu kurzer Hinterschaft, der die Schmerzen verursacht, sondern eine falsche Schaftgeometrie. Und die kickt nicht unbedingt schmerzhaft in die Schulter, sondern aufs Jochbein und damit ins Gesicht. Was zwangsläufig zum reflexartigen Zukneifen der Augen führt. Lochschäfte bieten nicht nur die perfekte und immer gleiche Abzugsfinger-Position, sondern dank des ausgeprägten Pistolengriffs mitunter eine bessere Waffenkontrolle, da auch die Muskelverspannung im Unterarm wegfällt.
Eine weitere technische Möglichkeit ist die Mündungsbremse (MB). Die Pulvergase werden mehr oder weniger schräg nach hinten abgeleitet, wodurch die Waffe leicht aus der Schulter gezogen wird. Das reduziert den Rückstoß um bis zu 30 %. Doch kein Licht ohne Schatten: Eine Waffe mit MB lässt sich nicht mehr ohne Gehörschutz schießen!
Die bessere Alternative und seit ein paar Jahren auf der Jagd erlaubt, ist der Schalldämpfer. Er mindert den Knall, reduziert den Rückstoß, schluckt das Mündungsfeuer und liefert in der Regel noch mehr Präzision!
Nur Übung macht den Meister
Doch manchmal kommen all diese Ratschläge zu spät, denn die „Schlägerin“ steht bereits im Waffenschrank. Natürlich kann man eine Schaftkappe oder einen Schalldämpfer nachrüsten. Doch je nach Grad der „Schussscheue“ hilft nur noch sensibles Training. So habe ich mich selbst wieder auf Spur gebracht – vom Kleinkaliber- und Hornet-Training über einen zeitweise in der Schießweste eingelegten Rückstoßminderer bis hin zur Reduzierung des Geschossgewichts auf 10,7 g bei der .30-06.
Besonders wirksam war das Training mit einem Freund, den ich meine Waffe von der Seite beladen ließ, während ich zur anderen Seite schaute. Mal war eine Patrone in der Kammer, mal nur eine leere Hülse. So feuerte ich die Waffe manchmal leer ab und merkte, wie ich dabei aus dem Ziel riss. Dann war mal wieder ein scharfer Schuss drin. So minimierte ich von Schuss zu Schuss meine Angst und steigerte Konzentration und so wieder die Treffer-Ergebnisse.
Seit Jahren ist das Mucken bei mir Geschichte und meine Auslandsjagdwaffe eine .375 H&H Magnum, mit der ich auch ausgiebig auf dem Schießstand trainiere. Zu dem langsamen Wieder-Herantasten kommen mit den Jagdjahren natürlich auch größere Erfahrung und wachsende Abgebrühtheit.